Politik: Bundestagswahl 2002
Angelika Beer: Ins Aus rotiert
Ein Überbleibsel aus den alten Tagen der Grünen ist Beer zum
Verhängnis geworden: die Rotation.
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Die neue Spitzenkandidatin sei authentischer, mehr in der Partei
verankert und gehe auch schon mal mit Delegierten Bier trinken. Das
Qualifikationsprofil der Partei scheint sich auch geändert zu haben.

Die renommierte grüne
Wehrexpertin Angelika Beer wird dem nächsten Bundestag wohl nicht mehr
angehören. Ganze zwei Stimmen fehlten der 44-jährigen auf dem
Landesparteitag der Schleswig-Holsteiner Grünen im April 2002 zur
Spitzenkandidatur. Viermal ist sie für den nördlichsten der grünen
Landesverbände in die Wahl gezogen, seit 1990 sitzt sie mit einer
Unterbrechung im Parlament. Mit Tränen in den Augen kündigte sie nach
der Wahlniederlage an, auf einen anderen Listenplatz zu verzichten und
für ein Direktmandat anzutreten - im bäuerlich geprägten
Schleswig-Holstein ein schier unmögliches Unterfangen.
Ein Relikt aus Gründungstagen

Ein Überbleibsel aus den alten Tagen der Grünen
ist Beer zum Verhängnis geworden: die Rotation. Bei ihrer Kandidatur
hätte sie die Zweidrittelmehrheit der Stimmen gebraucht, um ein drittes
Mal in den Bundestag einziehen zu können. Die Klausel stammt noch aus
den Anfangszeiten der Partei, Beer hatte selbst dafür gekämpft. Die
andere Kandidatin, Grietje Bettin, hatte es da einfacher. Als jüngste
Abgeordnete war die 25-jährige im April 2000 ins Parlament nachgerückt,
nachdem der Abgeordnete Klaus Müller jüngster Umweltminister der
Republik im Kabinett von Heide Simonis wurde.
Eine politische Auseinandersetzung hätte sie sich gewünscht, meinte
Angelika Beer nach der Entscheidung. Ihre Gegenkandidatin gilt nicht
als die allerbeste Rednerein, hat sich aber in zwei Jahren Bundestag
als medienpolitische Sprecherin der Fraktion profilieren können.
Kampfeinsätze und eine Affäre

Nur gerüchteweise kursierte die Theorie, die
Delegierten hätten Beer abgestraft. Mehrmals war die Befürworterin von
Bundeswehr-Kampfeinsätzen von Teilen der Partei harsch kritisiert
worden. Spätestens ihre Affäre mit einem verheirateten
Bundeswehroffizier war nicht nur dem pazifistischen Flügel der Grünen
zu viel. Und die "Bild"-Zeitung fragte mit Blick auf die Familie des
Soldaten: "Wie kann eine Frau einer anderen Frau soviel Leid zufügen?"
Die grünen Mitstreiter äußern sich lieber relativ. Die neue
Spitzenkandidatin sei authentischer, mehr in der Partei verankert und
gehe auch schon mal mit Delegierten Bier trinken. Das
Qualifikationsprofil der Partei scheint sich auch geändert zu haben.
Fotos: NDR Online